Montag, 26. Mai 2008

so schallt es heraus.

was ja ein bisschen seltsam ist am schwangersein, ist, dass ganz viele menschen es plötzlich unheimlich gut mit einem meinen. der umstand, dass man einen babybauch vor sich her trägt, scheint enorm viele menschen zu irgendwelchen reaktionen zu motivieren. man wird von vollkommen fremden leuten liebevoll angelächelt, bekommt in der voll besetzten bahn sitzplätze und auf dem flohmarkt einen sonderpreis für das antike schaukelpferdchen angeboten, muss die versehentlich heruntergefallene gesichtscreme im drogeriemark nicht mehr selbst aufheben, weil sich mindestens drei umstehende darum reißen, das für einen tun zu dürfen. und jeder wünscht einem mit versonnenem blick auf den dicken bauch "eine gute zeit" oder "alles gute".

das sind die einen.

die anderen überschütten einen ebenso ungefragt mit sicherlich genau so gut gemeinten, aber einfach unangebrachten persönlichen meinungen und ratschlägen. dass ich ob der entscheidung, unser kind zur hause zur welt zu bringen dauernd aufgefordert werde, das doch nochmal zu überdenken und für leichtsinnig oder gar verantwortungslos gehalten werde, daran gewöhne ich mich langsam. dass ich mir aber auch in vollkommen gewöhnlichen alltagssituationen von mir gänzlich unbekannten leuten anhören muss, was ich gerade falsch oder richtig mache, macht mich immer noch sauer. insbesondere deshalb, weil die meisten dieser leute sehr pikiert reagieren, wenn ich sie im gegenzug genau so behandle.
als ich noch nicht schwanger war, gab es bestimmte themen, auf die mich selbst gute freunde nur unter dem label "darf ich dich mal was persönliches fragen?" ansprachen. themen wie mein gewicht, mein sexleben, die beziehung zu meinen eltern oder mein kontostand unterlagen gewissen anstandsgrenzen.

seit ich deutlich sichtbar schwanger bin, ist das anders. nicht nur, dass man irgendwie allgemeingut wird und einem fremde menschen unangekündigt auf dem bauch herumpatschen oder einem im vorbeigehen anhand der form des bauches ihre einschätzung bezüglich des geschlechts des kindes oder des geburtsverlaufs unterbreiten - plötzlich gehen auch diese äußerst privaten themen alle um mich herum etwas an. supermarktkassiererinnen, entfernte bekannte und kommilitonen, mit denen ich nie mehr teilte als eine referatsgruppe, fragen plötzlich ganz ungeniert, wie viel ich denn schon zugenommen habe, wie ich "das" denn finanziell hinzukriegen gedenke oder drücken mir ihr mitgefühl mit dem mann aus, der ja nun wohl neun monate ohne sex auskommen muss (wtf?!). und mischen sich einfach so in meine lebensführung ein. lege ich im supermarkt drei flaschen cola light aufs kassenband, werde ich von der mir völlig fremden kassiererin mit strafenden blicken auf den babybauch ermahnt, dass koffein aber "gar nicht gut" für "das kleine" sei. bepacke ich das band mit einer tafel schokolade und zwei packungen keksen, warnt mich die kassiererin davor, zuviel fett zuzunehmen oder an schwangerschaftsdiabetes zu erkranken. kaufe ich hingegen überwiegend obst und gemüse ein, lobt man mich dafür, wie sorgfältig ich doch im sinne des "kleinen" auf meine ernährung achte.

spreche ich dieselbe kassiererin aber genau so ungeniert auf ihre ebenso deutlich sichtbare, dicke warze am hals an und empfehle ich ihr ebenso wohlwollend meinen hautarzt, der solche unschönen dinger wegmacht, ohne dass hinterher eine narbe bleibt, - dann stehe ich plötzlich als die blödeste schnepfe in der kassenschlage da. nur, weil ich die kassiererin nach dem gleichen prinzip behandle, wie sie mich auch.

tse, verkehrte welt.