heute mit der straßenbahn durch einen stadtteil gefahren, in dem ich sonst nie bin. während der fahrt draußen herumgeguckt. häuser, belanglose bäume, matratzendiscounter, pizzabuden.
und eine von den autoabgasen dunkelbraun verfärbte mauer.
vor ungefähr 12 jahren muss diese mauer weiß gewesen sein, vielleicht auch hellgrau. und seit mindestens ebensolanger zeit wurde diese mauer nicht mehr gereinigt. erkannt habe ich das an einem einzigen graffititag, das sich mit seinem schwarz nur schwach von vom dunkelbraun der mauer abhob. dennoch war es deutlich genug zu sehen und ich erkannte es sofort.
überall sonst, wo ich weiß, dass dieses tag gewesen ist, haben andere sprayer drübergemalt, oder es wurde irgendwann gestrichen oder neu verkleidet. aber offensichtlich sind nach 12 jahren noch immer nicht alle spuren verwischt. es gibt immer noch reste, über die kein gras gewachsen ist. und wunden, die die zeit nicht heilen konnte.
meine wunde, oder vielleicht eher die narbe, die aus ihr entstanden ist,
begann heftig zu ziehen in diesem moment, da ich in der straßenbahn saß und an dieser mauer mit diesem tag vorbeifuhr. drei, vier sekunden lang hatte ich wieder all diese bilder im kopf: wie d. mir die tür aufmachte und mir im aufzug mitteilte, dass sie tot sei. ich konnte mein eigenes, ungläubiges, wahnsinniges lachen hören, sah o. in d.'s zimmer sitzen, mit feuchten augen.
erinnerte mich, wie ich sofort zu c. fuhr, die mit f. in ihrem zimmer saß; wie wir zu dritt da saßen, schwiegen, in wassergläser starrten, dieses alleszerfetzende
stechen in der brust spürten und nicht reden konnten, viele minuten, vielleicht auch stundenlang, ich weiß es nicht mehr, die zeit war irgendwie weg. ich weiß noch, wie absurd ich es fand, dass c.'s mutter irgendwann reinkam und uns ein tablett mit cola und süßigkeiten brachte, so als wäre dies irgendein normales nachmittägliches mädchentreffen.
ich erinnerte mich an dieses nicht begreifen können (denn am abend, als es passierte, waren wir noch zusammen mit all den anderen in diesem café, ich hab sie doch nur wenige stunden vorher noch gesehen, das kann doch nicht sein, wie, tot?, tot!, was soll das denn, sie kann doch unmöglich tot sein, nein, aber nächsten monat wäre
sie doch 18 geworden und es sollte groß gefeiert werden und all das), dieses heulen wollen und -nichtkönnen.
dieses abrattern von auffälligkeiten und zusammenhängen, die
grausamkeit, die unfassbare gausamkeit ihres todes.
der moment, als ich dahin kam, wo ich damals wohnte und den
anpfiff wegen zuspätkommens wortlos, aber lautstark mit einem auf der stelle folgenden, tränenreichen nervenzusammenbruch
noch in der haustür quittierte.
eins, zwei, drei, vier sekunden lang; dann hatte die straßenbahn die mauer mit dem tag passiert, etwas anderes geriet ins blickfeld, eine tankstelle oder sowas und der neben mir sitzende mann fragte irgendwas.
der sprayer, zu dem dieses tag gehört, hat vor 12 jahren eine freundin von mir ermordet. geplant, beabsichigt, gewollt. aus eifersucht und rache. sie war 17, er war 21.
es waren 24 messerstiche in einer bahnunterführung.