Freitag, 2. Juli 2010

wie es war (ii).

beschlossen, keinen ausführlichen geburtsbericht zu bloggen.

ich habe den geburtsverlauf ohnehin bis kurz vor einsetzen der austreibungsphase live getwittert und und fotos von der geburt geflickrt; es war schön, so viel zu von diesem besonderen tag zu teilen. mein kind wurde geboren und ihr wart dabei; ihr menschen aus diesem merkwürdigen internet, ihr fremden, ihr freunde, die ich noch nie persönlich getroffen habe, ihr anonymen geschenke-schicker, ihr inspirierer. es war eine schöne möglichkeit, einen weiteren höhepunkt dieses merkwürdigen lebens, das ihr hier seit jahren schon mitlest, mit euch zu teilen und zu feiern. danke, dass ihr dabei wart.
der minutengenaue ablauf und irgendwelche zahlen darüber, wie weit der muttermund zu welcher uhrzeit geöffnet war - wen interessiert das denn bitte. in meiner erinnerung spielen andere momente die deutlich größere rolle.

für den schmerzhaften teil der geburt, insbesondere für die presswehen (die ich auch diesmal vollkommen unbetäubt erleben durfte, denn bei einer hausgeburt ist natürlich keine pda oder betäubung anderer art möglich) gilt, was ich schon nach der geburt des größeren sohns schrieb, und nach der geburt des kleinen sohns dann in diese empörten worte fasste: die körperliche erinnerung an diese unfassbaren, apokalyptischen schmerzen, die körperlich nachvollziehbare reproduzierbarkeit des gefühls, einen kleinen menschen aus sich herauszupressen, war bereits wenige minuten nach der geburt verblasst. sauerei. wo ich mir doch diesmal fest vorgenommen hatte, mir den schmerz diesmal besonders gut zu merken, um der versuchung, ein drittes kind zu bekommen, mit dem wissen entgehen zu können, dass ich DAS ganz sicher nicht nochmal durchleben will.

kaum ein paar momente zuvor kniete ich noch fluchend auf der matratze, die unterarme auf einen stuhl gestützt. bei jeder presswehe gab ich ein irrsinnig tiefes und - wie ich dachte - lautes, animalisches knurren von mir; eines von der sorte wie man es aus exorzismus- filmen kennt. es hätte mich nicht gewundert, wenn ich irgendwann angefangen hätte, dämonische verse in irgendeiner uralten biblischen sprache auszuspucken. dieses knurren: ein geräusch, dass man definitiv nicht nachahmen kann, wenn man keine presswehen hat. ein ausdruck ungeheurer kraft, und trotzdem jagte es mir ein wenig angst ein, dass solche geräusche aus mir rauskommen. ein knurren, über das der mann zu meiner großen verblüffung später sagte: "das war ein sehr schönes geräusch" und von dem die nachbarn rein gar nichts mitbekommen hatten; sie reagierten sehr überrascht auf die nachricht, dass das kind jetzt da sei. unter jeder wehe rannte mir der schweiß nur so übers gesicht; in jeder wehenpause hing ich vollkommen fertig und fluchend über dem stuhl.

irgendwann dieser absurde moment, als der kopf des babys schon zu sehen und zu tasten war; als es selbigen bewegte, mich damit kitzelte und ich belustigt kichern musste.

der mann stellte teelichte auf. nur wenig später dann zwei presswehen ohne pause hintereinander; mit der ersten brachte ich kopf und schultern des babys heraus, mit der zweiten den rest, fruchtwasser plätscherte auf die matratze und zwischen meinen knien lag unser kind. erleichterung, freude, tränen auf den wangen des mannes.

das kleine, blutig-glitschige wesen von der matratze aufheben und dabei mehr versehentlich entdecken, dass es statt dem erwarteten mädchen ein junge ist. erster gedanke: äh..?!; zweiter gedanke: ein junge! mein junge! unser junge!

sein gesicht: geschwollen und zerknautscht aber unfassbar niedlich. diese nase! ihn auf meine brust legen, seinen kopf küssen und liebkosen. ihn begrüßen, seinem leisen gurgeln und fiepen zuhören. vom mann und der hebamme in wärmende decken und handtücher gehüllt werden, etwas zu trinken angereicht bekommen. durch die geöffneten balkontüren weht eine leichte brise lauwarmer sommerabendluft durch unser wohnzimmer.

mit dem kleinen menschen sprechen, ihn streicheln, den mann küssen. das baby quietscht und schnüffelt und versucht, seine geschwollenen augenlider zu öffnen. aus millimeterschmalen schlitzen blinzeln mich dunkle augen an. suchend, fragend, warm. nicht mitkriegen, wie die zeit vergeht, wie der mann und die hebamme im hintergrund die schmutzigen vliesunterlagen wegräumen und die hebamme die geburtsbescheinigung ausfüllt. der mann macht ein paar fotos und beginnt dann, den zuvor angestzten naanteig zu fladen zu backen für meine mitternächtliche stärkung. irgendwann fängt der neue kleine mensch an, auf seiner faust herumzukauen und zu schmatzen. ich lege ihn zum ersten mal zum stillen an. zwischen meinen oberschenkeln pulsiert noch ganz leise die nabelschnur. alles ist wunderbar.